„Wir müssen darüber reden!“ – Der Wunsch nach selbstbestimmtem Sterben

zur Startseite

Darf ein Mensch seinem Leben selbst ein Ende setzen? Eine einfache Antwort auf diese komplexe Frage gibt es nicht. Das zeigten Oberin Heidrun Kopp und Prof. Jürgen Armbruster vor über 100 Besuchern eindrücklich auf.

Zum Vortragsabend am 7. November 2023 eingeladen hatten das Altenzentrum und die Volkshochschule Korntal anlässlich des Doppel-Jubiläums „100 Jahre Altenpflege“ und „200 Jahre Diakonie in Korntal“.

Die beiden Experten sprachen in ihren spannenden Vorträgen zahlreiche Fragen an, die die veränderte Rechtsprechung seit Anfang 2020 mit sich bringt. Nachdem das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung aufgehoben wurde, müssen sich Angehörige wie professionell Pflegende mit dem möglichen Wunsch pflegebedürftiger Menschen nach selbstbestimmtem Sterben konkret auseinandersetzen.

Aus ihrer praktischen Erfahrung in der Evangelischen Diakonieschwesternschaft Herrenberg-Korntal, die mehrere Altenheime unterhält, machte Oberin Heidrun Kopp deutlich: „Der Wunsch eines Patienten oder einer Bewohnerin bzw. eines Bewohners nach selbstbestimmtem Sterben darf nicht tabu sein.“ Alles Handeln in einer Pflegeeinrichtung geschieht im Spannungsfeld zwischen der Autonomie des Einzelnen und der Verpflichtung zur umfassenden Fürsorge durch die Einrichtung. „Wir mussten für unsere Altenheime eine eigene Haltung entwickeln, wie wir als bewusst christlich geprägte Häuser damit umgehen wollen. Deshalb war und ist es für uns unerlässlich, dass wir darüber reden müssen“, so Heidrun Kopp.

Professor Dr. Jürgen Armbruster, bis vor kurzem Vorstand der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart, präsentierte informative Zahlen, Daten und Fakten, aus denen die vielschichtigen ethischen, juristischen und sozialen Konsequenzen der Thematik deutlich wurden. Wie statistische Ergebnisse zeigen, steigt die Neigung zur Selbsttötung (Suizidalität) im Alter deutlich. Deshalb hat nach Armbrusters Auffassung besonders für die Altersgruppe der älteren und ältesten Menschen die Frage nach selbstbestimmtem Sterben eine besondere Bedeutung.

In der anschließenden Gesprächsrunde berichteten mehrere Besucherinnen eindrucksvoll aus ihrem eigenen Erleben. Die angeregte Diskussion zeigte: Es gibt ein deutliches Bedürfnis, sich mit diesem anspruchsvollen Thema sachlich wie persönlich differenziert auseinander zu setzen.

Das Fazit der beiden Referenten fand deshalb die volle Zustimmung des Publikums: „Wir müssen darüber reden!“

Gerd Sander

Zurück